Neue kartellrechtliche Regelungen für Kooperationen zwischen Wettbewerbern

Am 01.06.2023 hat die Europäische Kommission (Kommission) die überarbeiteten Gruppenfreistellungsverordnungen für Forschung und Entwicklung (FuE) und Spezialisierungsvereinbarungen (gemeinsam Horizontal-GVOs) sowie die dazugehörigen Horizontal-Leitlinien veröffentlicht. Die Horizontal-GVOs und die Horizontal-Leitlinien sind von zentraler Bedeutung für die kartellrechtliche Beurteilung der Frage, ob Vereinbarungen über die Zusammenarbeit von (potenziellen) Wettbewerbern mit den Wettbewerbsvorschriften im Einklang stehen. Dieser Reform ging ein umfassender Evaluierungs- und Konsultationsprozess der Kommission voraus, in dessen Rahmen die Erfahrungen mit den Vorgängerbestimmungen und die aktuellen Entwicklungen im relevanten Marktumfeld berücksichtigt wurden. Die Horizontal-GVOs treten am 01.07.2023 in Kraft und bleiben 12 Jahre lang gültig. Die Horizontal-Leitlinien gelten ab ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU, die im Laufe des Juli 2023 erfolgen soll.

Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit

Horizontale Kooperationsvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die ua auf eine Zusammenarbeit in bestimmten Bereichen wie FuE, Produktion, Einkauf, Vermarktung, Normung oder Informationsaustausch abzielen. Nach Art 101 Abs 1 AEUV sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb beschränken, verboten. Gemäß Art 101 Abs 3 AEUV können solche Vereinbarungen vom Kartellverbot freigestellt sein, sofern sie unter angemessener Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ohne den Wettbewerb auszuschalten. In den GVOs sind Gruppen von horizontalen Vereinbarungen definiert, die nach Auffassung der Kommission in der Regel die Voraussetzungen der Freistellung nach Art 101 Abs 3 AEUV erfüllen (sog safe harbour).

Was ist neu?

Die bereits bekannte Systematik der “Freistellung vom Kartellverbot” ist gleichgeblieben. Bei bestimmten Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die (i) nur über begrenzte Marktmacht verfügen und (ii) die in den Horizontal-GVOs festgelegten Voraussetzungen erfüllen, wird vermutet, dass deren positive Auswirkungen die Wettbewerbsbeschränkung überwiegen und folglich vom Kartellverbot freigestellt sind. Liegen die Anwendungsvoraussetzungen der Horizontal-GVOs nicht vor, muss im Einzelfall an Hand der Horizontal-Leitlinien geprüft werden, ob solche Vereinbarungen den Wettbewerb beschränken.

Die Horizontal-Leitlinien geben Hinweise zur Anwendung der Horizontal-GVOs und zur wettbewerbs-rechtlichen Würdigung gängiger Arten von Kooperationsvereinbarungen. Dazu gehören der Informationsaustausch sowie Vereinbarungen in den folgenden Bereichen: FuE, Produktion, gemeinsamer Einkauf, Vermarktung, Normung und Standardbedingungen. Darüber hinaus enthalten die überarbeiteten Horizontal-Leitlinien ein neues Kapitel über die Bewertung von sog Nachhaltigkeitsvereinbarungen.

Die wichtigsten Neuerungen haben wir für Sie im gesamten Artikel zusammengefasst:

Gesamter Artikel als PDF

Autoren:

Zuletzt aktualisiert: 28.06.2023