Die entgeltliche Kaufoption in der Insolvenz

Die Klägerin mietete ab dem Jahr 2009 eine Liegenschaft. Dies mit der Option, die Liegenschaft bis spätestens 2034 zu einem vorweg vereinbarten Preis (nennen wir ihn den „Optionskaufpreis“) kaufen zu können. Für diese Option zahlte die Klägerin der Vermieterin ein Entgelt in Höhe von EUR 70.000 (das „Optionsentgelt“).

Im Jahr 2017 wurde über das Vermögen der Vermieterin ein Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin übte ihre Kaufoption im Jahr 2020 aus. Alternativ dazu bot sie dem Insolvenzverwalter an, die Liegenschaft zum Verkehrswert zu erwerben. Dieser erachtete sich als an die Kaufoption nicht gebunden. Er verkaufte der Klägerin die Liegenschaft stattdessen zum Verkehrswert. Dieser lag im Jahr 2020 freilich weit über dem elf Jahre zuvor vereinbarten Optionskaufpreis. Die Differenz meldete die Klägerin als Insolvenzforderung an. Dies mit der Begründung, durch „die Nichtmöglichkeit der Optionsausübung“ zu Schaden gekommen zu sein.

Vor diesem Hintergrund hatte der OGH in 17 Ob 14/22s unter anderem zu beantworten, ob Kaufoptionen auch nach Insolvenzeröffnung noch Bindung entfalten. Das bejahte er mit folgender Begründung:

Die Klägerin und die Vermieterin vereinbarten seinerzeit einen Mietkauf. Dieser bestand aus einem Mietvertrag und einer Kaufoption. Die Auswirkungen der Insolvenzeröffnung sind für beide Rechtsgeschäfte getrennt zu beurteilen. Mietverträge überdauern die Insolvenz des Vermieters. Das ergibt sich eindeutig aus § 24 Insolvenzordnung (IO). Für das Schicksal der Kaufoption kommen hingegen zwei Gesetzesbestimmungen in Frage.

Gemäß § 26 Abs 3 IO sind Insolvenzverwalter:innen an vor Insolvenzeröffnung nicht angenommene Vertragsangebote von Schuldner:innen nicht gebunden. Doch sind Optionen keine Vertragsangebote, sondern bereits gesicherte Rechtspositionen, nämlich Verträge.

Statt § 26 Abs 3 IO ist daher § 21 IO zu prüfen. § 21 IO lässt den Umkehrschluss zu, dass Insolvenzverwalter:innen an vor Insolvenzeröffnung bereits vollständig erfüllte Verträge sehr wohl gebunden sind. Die Klägerin hat das Optionsentgelt vor Insolvenzeröffnung entrichtet und so den Optionsvertrag vollständig erfüllt. Die Klägerin konnte die Option daher auch nach Insolvenzeröffnung ausüben. Das hat sie getan und so einen Kaufvertrag zustande gebracht. Dieser war freilich nicht vollständig erfüllt, sodass von ihm der Insolvenzverwalter gemäß § 21 Abs 1 IO hätte zurücktreten können. Das hat er nicht getan. Die Schadenersatzforderung der Klägerin besteht daher zu Recht.

Ob unentgeltliche Optionsverträge und/oder vor Insolvenzeröffnung nicht vollständig erfüllte entgeltliche Optionsverträge unter § 26 Abs 3 IO fallen, ließ der OGH ausdrücklich offen. Wir bleiben gespannt.

Zuletzt aktualisiert: 08.03.2023