Verschärfte Pflichten der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats bei konzernrelevanten Geschäften

Mit Entscheidung vom 25.11.2020 hat der OGH erstmals die Konzernleitungsverantwortung des Vorstands und die korrespondierende Konzernüberwachungsverantwortung des Aufsichtsrats im Detail behandelt und u.a. festgehalten, dass der Aufsichtsrat einer Konzernobergesellschaft verpflichtet ist, Geschäfte von konzernweiter Bedeutung, auch wenn sie in Untergesellschaften abgeschlossen werden, seiner Zustimmung zu unterwerfen. Für die Durchsetzung der konzernrelevanten Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats hat die Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft zu sorgen und entsprechend seine Mitwirkung bzw Einflussnahme an solcherart erfassten Vorgängen in Untergesellschaften (als Anknüpfungspunkt für die Kontrolle des Aufsichtsrats der Konzernobergesellschaft) zu etablieren.

In der vorliegenden Entscheidung hat der OGH insbesondere Folgendes festgehalten bzw präzisiert:

  • Obgleich es in Österreich kein kodifiziertes Konzernrecht gibt, wird eine faktische Konzernleitung der Konzernobergesellschaft anerkannt. Die Geschäftsführung einer Konzernobergesellschaft hat konzernleitend tätig zu sein. Diese Tätigkeit ist Gegenstand der Überwachung durch den Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft.
  • Liegt ein konzernrelevantes Geschäft auf Ebene eines Konzerngliedes vor, ist dieses (auch) vom Aufsichtsrat der Konzernobergesellschaft zu genehmigen. Die Zustimmungskompetenz ersetzt nicht einen Zustimmungsvorbehalt auf Ebene der Gesellschaft, die dieses Geschäft oder die konzernrelevante Maßnahme direkt vornimmt, sondern sie tritt zu dieser hinzu.
  • Für „Konzernrelevanz“ gibt es keine Legaldefinition; es kommt vielmehr stets auf die Umstände und die Struktur des jeweiligen Konzerns an. Konzernrelevanz ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich Maßnahmen einer Untergesellschaft auch auf die Vermögens- und Ertragslage der Konzernobergesellschaft nicht bloß unbedeutend auswirken. Maßgebliche Kriterien sind die Rentabilität und Liquidität der Konzernobergesellschaft sowie deren finanzielles Gleichgewicht.

Die auf Ebene der Konzernobergesellschaft angesiedelten Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrates haben als solche jedoch keine unmittelbaren Rechtsfolgen für die Organe der Untergesellschaften. Daher ist es Aufgabe der Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft, dass in der Konzernkaskade Zustimmungsvorbehalte „in der Kette“ etabliert werden. Auf diese Weise gelangen konzernrelevante Maßnahmen bis in die Sphäre der Geschäftsführung der Konzernobergesellschaft, welche die Frage dann wiederum ihrem Aufsichtsrat zur Entscheidung vorzulegen hat.

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung sind Geschäftsführungsorgane und Aufsichtsräte von Konzernobergesellschaften gut beraten, die Corporate Governance ihres Konzerns zu überprüfen und, sofern diese nicht bereits mit den Anforderungen des OGH in Einklang stehen, entsprechend anzupassen. Ein besonderes Augenmerk sollte darauf gelegt werden, wie „konzernrelevante Geschäfte“ im Sinne der Rechtsprechung für den jeweiligen Konzern definiert werden können. In diesem Zusammenhang ist auch die gesellschaftsrechtliche Durchsetzbarkeit kaskadenartiger Zustimmungspflichten zu beachten. Andernfalls könnte es zu einer Haftung der Organmitglieder kommen.

Zum Volltext der Entscheidung: OGH 25.11.2020, 6 Ob 209/20h